Das Resultat jahrzehntelanger autogerechter Stadtplanung zeigt sich auch in Berlin: Der motorisierte Individualverkehr beansprucht 60 Prozent der Fläche, während sein Anteil am Modal Split nur 26 Prozent beträgt. Die Fläche für den Radverkehr umfasst hingegen vier Prozent bei einem Modal Split Anteil von 18 Prozent (Creutzig et al., 2020; Gerike, Hubrich, Ließke, Wittig & Wittwer, 2020). Um dieser Flächenungerechtigkeit zu begegnen, werden neue Konzepte entwickelt und umgesetzt, die den öffentlichen (Straßen-)Raum und den Zugang dazu neu verteilen. Ein Beispiel sind geschützte Radwege oder Pop-up-Radwege, bei denen oftmals Parkplätze oder eine Fahrspur zum Radweg umgestaltet werden. Weitere Maßnahmen verteilen nicht nur die Verkehrsfläche auf andere Transportmittel um, sondern machen Platz für Klimaanpassungsmaßnahmen (z.B. Entsiegelung, mehr Pflanzen) oder zum Spielen auf der Straße und kreieren nicht-kommerzielle Orte zum sozialen Austausch, Tauschen von Kleidung, Naherholung und Kulturveranstaltungen. So zum Beispiel Parklets, Konstruktionen aus Holz, die zeigen, wie 11 m² große Parkplätze von Menschen statt für Autos genutzt werden können. Auch Superblocks, die ihren Ursprung in Barcelona haben und den Durchgangsverkehr um Wohnquartiere umleiten, machen den öffentlichen Raum nutzbar und für viele Menschen zugänglich. Doch die Neuaufteilung des öffentlichen Raums ist kontrovers und verläuft nicht ohne Konflikte (z. B. Aldred et al., 2021; López, Ortega & Pardo, 2020). Thema der Dissertation ist daher die Akzeptanz von Maßnahmen, die urbane Fläche neu verteilen, und deren psychologische Einflussfaktoren.  Zunächst wurden im Rahmen des Technology-Acceptance-Modell (Huijts, Molin & Steg, 2012) die wahrgenommene Fairness, der Affekt sowie die soziale Norm als größte Einflussfaktoren auf die Akzeptanz identifiziert. D. h. Menschen akzeptieren eine Umgestaltung des Straßenraums, z. B. in Form von Superblocks, eher, wenn sie die Umgestaltung fair finden, positive Emotionen dazu haben und ihr Umfeld ebenfalls positiv dazu eingestellt ist. Daher liegt der Fokus der weiteren Forschung insbesondere auf der wahrgenommenen Fairness und der mit der Veränderung einhergehende Affekt sowie dem Einfluss der sozialen Norm. In einem faktoriellen Survey Experiment werden die distributive, die prozedurale Fairness sowie die soziale Norm variiert und deren Einfluss auf den Affekt, die Fairnessbeurteilung und Akzeptanz systematisch untersucht. Darüber hinaus wir das wahrgenommene Gentrifizierungsrisiko sowie sozio-demographische Variablen als Kontrollvariablen erfasst. Parallel dazu werden die Konfliktperspektiven von kritischen und ablehnenden Menschen gegenüber einem Realexperiment, dass öffentlichen Raum neu verteilt und nutzbar gemacht hat, anhand von Tiefeninterviews untersucht.

 

Aldred R, Verlinghieri E, Sharkey M et al. (2021) Equity in new active travel infrastructure: a spatial analysis of London’s new Low Traffic Neighbourhoods. Center for Open Science

Creutzig, F., Javaid, A., Soomauroo, Z., Lohrey, S., Milojevic-Dupont, N., Ramakrishnan, A., ... & Zausch, J. M. (2020). Fair street space allocation: ethical principles and empirical insights. Transport Reviews, 40(6), 711-733.

Gerike, R., Hubrich, S., Ließke, F., Wittig, S., & Wittwer, R. (2020). Mobilitätssteckbrief für Berlin (SrV 2018 –Mobiltät in Städten, p. 8). TU Dresden. Retrieved from https://www.berlin.de/senuvk/verkehr/politik_

planung/zahlen_fakten/mobilitaet_2018/download/Berlin_Steckbrief_Berlin_gesamt.pdf

Huijts N, Molin E, Steg L (2012) Psychological factors influencing sustainable energy technology acceptance: A review-based comprehensive framework. Renewable and Sustainable Energy Reviews 16:525–531. https://doi.org/10.1016/j.rser.2011.08.018

López I, Ortega J, Pardo M (2020) Mobility Infrastructures in Cities and Climate Change: An Analysis Through the Superblocks in Barcelona. Atmosphere 11:410

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