Die nachhaltigere Gestaltung des Verkehrssektors ist in vieler Munde. Vorangetrieben wird die Verkehrswende bislang vor allem aus ökologischen Gründen. Soziale Belange im Verkehrssektor und speziell bei der Verkehrswende spielen, ebenso wie in anderen Nachhaltigkeitskontexten, eine untergeordnete Rolle. Doch gerade aufgrund der Verwobenheit der verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen – ökologisch, ökonomisch und sozial – sollte und gewinnt die soziale Dimension zunehmend an Bedeutung. Deutlich wird dies in Diskursen über unterschiedliches Mobilitätsverhalten und gerechte Maßnahmen der Verkehrswende. Grundlegend hierfür ist die Verknüpfung von Armuts- und Exklusionsforschung mit Verkehrsforschung (vgl. Daubitz 2014; Schwedes & Rammler 2018; Manderscheid 2014) und die Verbindung von Umweltgerechtigkeit mit Mobilitätsfragen (vgl. Sheller 2018). Was soziale Nachhaltigkeit in der Verkehrswende jedoch konkret bedeutet, bleibt weiterhin unklar. Darüber hinaus ist Gerechtigkeit in der Verkehrswende zu einem großen Buzzword geworden. Zurückzuführen ist diese Unklarheit unter anderem auf ein uneinheitliches theoretisches Verständnis, auf kontextuelle Gegebenheiten und auf Schwierigkeiten in der Operationalisierung (vgl. Pieper et al. 2019; Renn et al. 2017). Da die Verkehrswende kein rein technologischer Prozess ist, kann die Berücksichtigung von sozialen Belangen und Gerechtigkeit eine große Hebelwirkung im Wandel hin zu einem nachhaltigen und gerechten Verkehrssektor bewirken.

Aufbauend auf dem Mobilitätsgerechtigkeitskonzept von Sheller und der Just-Transition Literatur (vgl. Williams & Doyon 2019) untersucht das Forschungsprojekt deshalb die Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit im Kontext der Verkehrswende. Dazu wird zunächst der aktuelle Forschungsstand von den Verteilungswirkungen des Verkehrssektors aufgearbeitet. Mit dem Ziel sich einem konzeptionell-theoretischen Verständnis von Verteilungsgerechtigkeit zu nähern, werden anschließend verschiedene Dimensionen und deren (Wirk-)Zusammenhänge qualitativ herausgearbeitet. Aufbauend auf diesem Verständnis wird deutlich, dass Verteilungsgerechtigkeit zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine gerechte Verkehrswende ist. Deshalb untersucht das Forschungsvorhaben in einem zweiten Schritt Beteiligungsverfahren im Kontext der Berliner Verkehrswende, da diese ein Mittel zur Erreichung von Verfahrensgerechtigkeit sind. Dabei spielen folgende Fragen eine Rolle: Welche Konflikte entstehen im Rahmen der Maßnahmen der Verkehrswende und wie wird in Beteiligungsverfahren damit umgegangen? Was sind Gründe für (Nicht-)Teilnahme an Planungsprozessen von Maßnahmen der Verkehrswende? Wie können Erkenntnisse aus dem Verständnis von Verteilungsgerechtigkeit und Verfahrensgerechtigkeit wechselseitig Beachtung finden?

Durch die Erarbeitung eines Verständnisses von Verteilungsgerechtigkeit und der Analyse von Beteiligungsverfahren im Kontext der Verkehrswende, dienen diese Forschungsergebnisse einem besseren Gerechtigkeitsverständnis im Verkehrskontext. Nicht zuletzt bieten diese Erkenntnisse Anknüpfungspunkte für die nachhaltigere und gerechtere Gestaltung anderer Konsumfelder.

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