06./07.10.2022: EXPERI-Fachtagung „Verkehrswende: Urbanen Raum neu denken“
Die interdisziplinäre Nachwuchsforschungsgruppe EXPERI lud Akteur*innen aus Forschung, Verwaltung, Stadt- und Mobilitätsplanung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zur Vorstellung der Zwischenergebnisse ein. Die Verkehrswende erfolgreich umzusetzen, bedeutet auch, die knappe Ressource des öffentlichen Raums neu zu denken und zu verteilen. Daher stellten wir erste Forschungsergebnisse rund um das Thema Flächenverteilung und Umgestaltung vor und freuten uns, sie gemeinsam mit Ihnen zu diskutieren.
Wann: Donnerstag, 06.10.2022 | Freitag, 07.10.2022
Wo: POP KUDAMM - Place of Participation, Kurfürstendamm 229, 10719 Berlin
Neben der Vorstellung der Forschungsergebnisse hat es einen Impulsvortrag zum Berliner Mobilitätsgesetz, weitere Schnittstellen-Ergebnisse aus dem DLR Forschungsprojekt „Vernetzte Mobilität für lebenswerte Orte“ (VMo4Orte) sowie Exkursionen zu drei Orten der Verkehrswende in Berlin gegeben.
Programmrückblick:
Donnerstag, 06.10.2022
Moderation:
10:00
Begrüßung
Dr. Julia Jarass, EXPERI / Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Verkehrsforschung
10:10
Impulsvortrag: Berliner Mobilitätsgesetz
Prof. Dr. Sophia Becker, Mobilitätsforscherin / Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit, interne Kommunikation, Transfer und Transdisziplinarität der Technischen Universität Berlin
10:30 - 11:30
Session 1: Gerechtigkeit in der Mobilitätswende
Die theoretisch wissenschaftlichen aber auch öffentlichen Diskurse über den ungerechten Status Quo der Mobilität nehmen zu. In dieser Session wird es darum gehen, ein umfassendes Gerechtigkeitsverständnis von Mobilität zu erarbeiten. Dieses Verständnis beschäftigt sich nicht nur mit der Frage welche Aspekte auf welche Art und Weise Einfluss auf Verteilungsfragen von Mobilität haben, sondern auch um die Frage der Beteiligung als Mechanismus, um Ungerechtigkeiten sichtbar und adressierbar zu machen. Wie wird in der Berliner Mobilitätswende beteiligt? Gemeinsam wollen wir daran anschließend überlegen, welche Erkenntnisse wir daraus für die Planung und Umsetzung der Mobilitätswende mitnehmen können.
- Vortrag: Gerechtigkeit in der Mobilitätswende – Verteilungs- und Beteiligungsbelange der (Berliner) Mobilitätswende | Anke Kläver, EXPERI / Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam (IASS) und Victoria Luh, Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam (IASS)
11:30 - 11:50
Einführung: Visual Utopias
Jan Kamensky: "(...) I'm convinced that it's important to see what happens if we transform car-dominated streets into human-friendly places. My utopian animations present visual arguments for change. (...)"
11:50 - 13:30
Mittagspause & Besuch der Ausstellung mit Visualisierungen "Visual Utopias" von Jan Kamensky
13:30 - 15:00
Session 2: Straßen werden zu Plätzen & Kiezblocks – Erkenntnisse aus der (temporären) Umgestaltung
In dieser Session geht es um die Veränderungen des Straßenraums zu lebenswerten Orten. Wir gehen der Frage nach, wie diese Veränderungen in Form von Realexperimenten von der Bevölkerung wahrgenommen und akzeptiert werden und welche Implikationen sich für die beteiligten Akteure aus Forschung, Verwaltung und Zivilgesellschaft ergeben. Im Rahmen von EXPERI wurden drei (temporäre) Umgestaltungen in drei Berliner Bezirken beforscht und zum Teil initiiert. Dabei kommt es zu sichtbaren Veränderungen in der Infrastruktur, die unter anderem (Verhaltens-)Veränderungen von bisher privilegierten Verkehrsteilnehmenden voraussetzen und zu Reaktanz führen können. Es stellt sich daher die Frage, wie eine tiefgehende Akzeptanz in der Berliner Bevölkerung geschaffen werden kann. Dies wird u.a. anhand psychologischer Faktoren untersucht und betrachtet, welche Rolle Emotionen im Kontext der Verkehrswende haben und welcher Umgang damit sinnvoll ist. Welche Auswirkungen sich durch die Umgestaltungen auf Lärm und Verkehrsfluss ergeben, wird im Rahmen des DLR-Projekts VMo4Orte – Vernetzte Mobilität für lebenswerte Orte untersucht. Die gesammelten Erkenntnisse werden in dieser Session vorgestellt.
- Vortrag: Die Verkehrswende unter einem Brennglas - Erfahrungen aus drei (temporären) Umgestaltungen in Berlin | Dr. Julia Jarass, EXPERI / Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Verkehrsforschung
- Vortrag: Akzeptanz von Kiezblocks - Welche Rolle spielen Emotionen und wahrgenommene Fairness? Katharina Götting | EXPERI / Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam (IASS)
- Vortrag: Wie gestalten wir lebenswerte Orte? Modellgetriebene Ermittlung von Wirkungen städtischer Umgestaltungsmaßnahmen: VMo4Orte – Vernetzte Mobilität für lebenswerte Orte | Dr. Julia Schuppan & Dr. Simon Nieland / Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Verkehrsforschung | DLR Institut für Verkehrsforschung
15:00 - 15:30
Kaffeepause
15:30 - 16:30
Podiums-/Fishbowl-Diskussion: Übertragbarkeit in die Praxis
Mit Vertreter*innen, u.a. der Berliner Bezirke, und gemeinsam mit dem Publikum diskutieren wir, welchen Nutzen die Erkenntnisse zur Flächenumverteilung in der Praxis haben und welche Stellschrauben es gibt.
- Saskia Ellenbeck, Bezirksstadträtin für Ordnung, Straßen, Grünflächen, Umwelt und Naturschutz | Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg
- Kirsten Pfaue, Koordinatorin für die Mobilitätswende der Stadt Hamburg
- Oliver Schruoffeneger, Bezirksstadtrat für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen | Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf
- Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes | Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
16:30 - 17:00
Session 3: Potenzial der Verkehrswende für den Wohnungsmarkt
Zahlreiche Studien beschäftigen sich mit der Flächenverteilung des Straßenraumes und fordern auf Basis der aktuellen Flächenverteilung die Neuaufteilung des öffentl. Raumes. Kiezblocks entstehen, Fahrradstraßen werden angelegt, Bezirke planen die Verkehrsberuhigung ganzer Stadtteile. Wie könnte sich aber die Verkehrswende hin zu klimaneutralen Städten auf die Flächenverteilung außerhalb des Straßenraumes auswirken? Wie viel Platz nimmt Pkw-Infrastruktur außerhalb des Straßenraumes durch z.B. durch Tankstellen, Auto-Vermietungen, Parkhäuser, Autowerkstätten und Autohäuser ein - und wie viel Potential schafft die Verkehrswende für mehr Häuser für Menschen statt Autos? In dieser Session schauen wir am Bsp. von Berlin auf die aktuelle Flächennutzung der Off-Street Automobile Infrastructure und den Flächenpotentialen, die die Verkehrswende erzeugt. Anhand von Best Practices schauen wir, wie Flächenumwandlung von Pkw-Infrastruktur hin zu alternativen Nutzungen bereits umgesetzt wurde und diskutieren über mögliche Hebel, um die Potentiale der Verkehrswende für den Wohnungsmarkt zu heben.
- Vortrag: Studienergebnisse Status-Quo-Analyse Flächenverbrauch „Off-Street Automobile Infrastructure Berlin" | Alexander Czeh, EXPERI / Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Verkehrsforschung
17:00 - 17:15
Abschluss
Dr. Julia Jarass, EXPERI / Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Verkehrsforschung
17:15
Get Together & Ausklang
Freitag, 07.10.2022
Exkursionsprogramm
10:00 - 11:30
EXPERI Realexperiment: Stadtplatz Charlottenburg
Bei dieser Exkursion wird der Stadtplatz in Charlottenburg besucht. Hier hat die Forschungsgruppe EXPERI im Herbst 2020 die Kreuzung für einen Monat zu einem Stadtplatz umgestaltet. Es wird erklärt, wie verkehrsrechtlich vorgegangen wurde, welche Besonderheiten es zu beachten gab, wie die Fläche genutzt wurde und wie die Veränderung von der Bewohnerschaft und den Gewerbetreibenden akzeptiert wurde. Durchaus kontrovers und emotional diskutiert, wurde mittlerweile ein Teil der Fläche dauerhaft zum Stadtplatz umgestaltet. Bei einem Workshop mit Anwohner:innen und dem Kollektiv Prinzessinnengärten wurden im Sommer 2021 Ideen entwickelt, die nun vor Ort besichtigt werden können: Hochbeete, Sitzgelegenheiten und Begrünung laden zum Verweilen ein. Die Exkursion zeigt, wie die Verkehrswende im Kleinen umgesetzt werden kann und welche Potenziale sich ergeben.
Treffpunkt: Horstweg 1, 14059 Berlin
10:00 - 11:30
Fußgänger*innenzone Lausitzer Platz
Der „Lausi“, wie der Lausitzer Platz von den Berliner*innen liebevoll genannt wird, ist ein Stadtplatz im nördlichen Ortsteil Kreuzbergs. Er liegt unmittelbar oberhalb der Skalitzer Straße am Görlitzer Park. Der Platz hat eine lange Geschichte. Seit Ende 2020, wird der Platz und seine umliegenden Straßen jetzt unter Beteiligungsverfahren zu einer Fußgänger*innenzone umgestaltet. Ziel der Fußgänger*innenzone ist es unter anderem die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu erhöhen und die Verkehrssicherheit auf den Straßen zu maximieren, sodass beispielsweise Kinder sicher zur Schule kommen. Doch die mit dem Umgestaltungsprozess verbundenen Veränderungen insbesondere auf alltäglicher Ebene, lösen unterschiedlichste emotionale Reaktionen aus. Teils kommt es zu Konflikten. In dieser Exkursion wollen wir uns mit Expert*innen genauer anschauen, wie die Umgestaltung wahrgenommen wird, welche partizipativen Elemente am Lausi durchgeführt wurden und was wir aus dem Realexperiment für weitere partizipative Formate der Mobilitätswende mitnehmen können.
Treffpunkt: Vor dem Restaurant Baraka, Lausitzer Platz 6, 10997 Berlin
10:00 - 11:30
Kindergarten in ehemaligem Parkhaus
Bei der Kindertagesstätte Dresdener Straße handelt es sich um den Umbau eines Parkhauses in eine Kita mit 136 Krippenplätzen. Das Parkhaus, welches 1971-74 errichtet wurde, wurde im Rahmen der internationalen Bauaustellung von 1984-87 so umgebaut, dass 4 Halbgeschosse und der Dachgarten von der Kita genutzt werden können. Damit bietet dieser Ort ein spannendes Beispiel für die Potenziale der Verkehrswende für die Umnutzung von Flächen früherer Pkw-Infrastruktur. Während der Führung erfahren wir zum Beispiel, wie bereits in den 80er Jahren architektonische Kniffe angewandt wurden, um das Gebäude auch ohne Abriss und somit klimaschonend zu einem Ort mit hoher Aufenthaltsqualität und geringem Energieverbrauch zu entwickeln.
Treffpunkt: Dresdener Str. 128, 10999 Berlin