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Dr. Judith Eckert, wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-geförderten Projekt „Fragen in Interviews“ an der Universität Duisburg-Essen, gab am 27.01.2021 im Rahmen eines Gastvortrags im Forschungskolloquium des Fachgebiets Nachhaltige Mobilität und transdisziplinäre Forschungsmethoden an der TU Berlin Einblick in ihre Forschung zu „gescheiterten“ Interviews.

Wie Eckert einführend darstellte, brachten eigene Forschungserfahrungen mit „gescheiterten“ Interviews sie und ihre Freiburger Kollegin Diana Cichecki dazu, sich auf methodologischer und forschungspraktischer Ebene mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen. Als Resultat der gemeinsamen Überlegungen erschien letztes Jahr das Buch Mit „gescheiterten“ Interviews arbeiten. Impulse für eine reflexiv-interaktionistische Interviewforschung bei Beltz Juventa.

„Scheitern“ verstehen Eckert und Cichecki nicht als absolutes Phänomen, sondern als relativ und relational, da es stets auf die Erwartungen und Vorannahmen der Forschenden verweist, mit denen empirisch gebrochen wird. Gleich, was konkret als Scheitern empfunden wird: Typischerweise werden „gescheiterte“ Interviews zunächst als Problemfälle angesehen und weggelegt. Werden sie schließlich dennoch ausgewertet, entpuppen sie sich oft genug als Schlüsselfälle, die zu wichtigen Erkenntnissen unterschiedlicher Art führen.

Dieser Erkenntniswert „gescheiterter“ Interviews ist Eckert zufolge zwar wenig bekannt, kann aber anhand zweier wichtiger methodologischer Grundlagen qualitativer Forschung begründet werden: Sowohl der US-amerikanische Pragmatismus mit seiner Konzeption von Forschen als Problemlösen als auch der Interaktionismus mit seinem Interesse an Verständnis- und Sinnhaftigkeitskrisen betonten den Wert von Forschungserfahrungen, die im ersten Moment als blockierendes Problem und maximale Irritation wahrgenommen werden. Wichtig sei, genau diesen Erfahrungen besondere analytische Aufmerksamkeit zu schenken, um sich neues Handlungs- und Deutungswissen erarbeiten zu können. Insgesamt plädierte Eckert dafür, „gescheiterte“ Interviews nicht nur überhaupt in die Analyse einzubeziehen, sondern sie prioritär zu behandeln, um frühestmöglich im Forschungsprozess von den Erkenntnissen profitieren zu können und zu verhindern, dass derselbe Problemtypus immer wieder auftaucht.

Judith Eckert / Diana Cichecki | Mit »gescheiterten« Interviews arbeiten - Impulse für eine reflexiv-interaktionistische Interviewforschung | Verlagsgruppe Beltz | Reihe: Qualitativ forschen - Aktuelle Ansätze | 2020 | 184 Seiten | € 19,95 inkl. MwSt. | ISBN 978-3-7799-3900-9
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