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Amsterdam ist eine Fahrradstadt. Das zeigt nicht nur der hohe Anteil des Radverkehrs am Modal Split und die gut ausgebaute Infrastruktur für Radfahrer:innen, sondern auch das Image von Amsterdam. Alle Bevölkerungsgruppen nutzen das Fahrrad, sodass es nicht die eine typische Radfahrergruppe gibt. Dennoch ist auch der Fußverkehr in Amsterdam sehr präsent. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Stadt sehr dicht gebaut ist und somit kurze Distanzen zwischen Wohnung und täglichen Zielen vorliegen, die gut zu Fuß zurückgelegt werden können. Zum anderen fördert der hohe Radfahranteil und der damit einhergehend geringere Autoverkehr die Aufenthaltsqualität für Fußgänger:innen. An stark befahrenen Fahrradstraßen läuft es sich angenehmer als an mehrspurigen Autostraßen. Damit sind gute Voraussetzungen für den Fußverkehr geschaffen, allerdings gibt es auch im Fußverkehrsnetz noch Schwachstellen, die die Stadt Amsterdam verbessern möchte.

Angebot und Nachfrage: Mehr Raum für Fußgänger:innen

Die Bevölkerung in Amsterdam wächst und die Zahl der Touristen ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Amsterdam verzeichnet pro Einwohner mehr Touristen als es in Paris, Barcelona oder London der Fall ist [1]. Aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der zunehmenden Zahl der Touristen ist Amsterdam einem hohen Nutzungsdruck und Fußverkehrsaufkommen im öffentlichen Raum ausgesetzt. Einerseits eine gute Nachricht, dass viele Menschen ihre Wege zu Fuß zurücklegen. Der Fußverkehr nimmt einen Anteil von 24% am Modal Split ein [2]. Andererseits sind die engen Bürgersteige und das Fußgängernetz nicht darauf ausgelegt. Um die besonders kritischen Stellen zu identifizieren und entsprechend umzugestalten hat die Stadt Amsterdam einen Walkability Index entwickelt.

Walkability-Index in Amsterdam (Grafik: Johan Olsthoorn, Julia Úbeda Briones/Gemeente Amsterdam)

Hierzu analysiert die Stadt Amsterdam zunächst, wieviel effektive Fläche den Fußgänger:innen zur Verfügung steht. Das bedeutet, dass Hindernisse wie etwa Fahrradabstellplätze, Mülleimer und Sitzgelegenheiten von der Fläche der Bürgersteige abgezogen werden. Mithilfe von geocodierten Fotoaufnahmen und Messungen kann somit die tatsächlich nutzbare Fläche für Fußgänger:innen bestimmt werden. Diese Daten führt die Stadt Amsterdam in einer Karte zusammen, sodass für alle Straßen in der Innenstadt eine Bewertung vorliegt, die aufzeigt, wie viel bzw. wenig Fläche für Fußgänger:innen vorhanden ist. Anschließend bestimmt die Stadt Amsterdam die Nachfrage des Fußverkehrs. Da hierzu keine Daten aus Befragungen vorliegen, die kleinräumlich lokalisiert werden können, stützt sich die Stadt hier auf Daten von denen das Fußverkehrsaufkommen abgeleitet werden kann. Dabei wird die Dichte von Bewohner:innen, Jobs, Schulen, Geschäften etc. in der Innenstadt bestimmt und lokalisiert. Zudem können Zahlen von Besuchern kultureller Einrichtungen, sowie Ein- und Ausstiege von öffentlichen Verkehrsmitteln berücksichtigt werden. Die heraus generierte (erwartete) Nachfrage von Fußgänger:innen wird ebenfalls straßengenau verortet, sodass dies mit dem tatsächlichen Angebot an Flächen für Fußgänger:innen verschnitten werden kann. Daraus ergibt sich eine genaue Lokalisierung der Hotspots, an denen ein geringes Platzangebot gepaart mit einer hohen Nachfrage vorherrscht. Diese Stellen passt die Stadt Amsterdam entsprechend an. Ein besonders umfangreiches Projekt zur Verbesserung des Fußverkehrs ist beispielsweise die sukzessive Verringerung der Parkplätze, um mehr Fläche für andere Verkehrsarten und den Aufenthalt in der Stadt zu schaffen. Im Jahr 2019 sollen 1.000 Parkplätze entfernt werden. Bis zum Jahr 2025 sollen insgesamt 10.000 Parkplätze zurückgebaut werden. Das entspricht etwa 10 Prozent aller Parkplätze.

Aufenthaltsorte statt Parkplätze

Sowohl in Neubaugebieten als auch in Bestandsgebieten wird versucht, die Straßenfläche in erster Linie als Aufenthaltsort für die Bewohner:innen zu nutzen. Indem im Rahmen von Neubaugebieten Tiefgaragen gebaut werden und sukzessive oberirdische Parkplätze reduziert werden, entsteht neuer Raum für die Nachbarschaft. Das macht die Straßen zum einen sicherer, sodass sich Kinder unbeaufsichtigt und eigenständig den öffentlichen Raum aneignen können. Durch die neu gewonnene Fläche kann zudem (von den Bewohner:innen) Mobiliar aufgestellt werden, die Flächen begrünt und der Raum so gestaltet werden, dass sich Bewohner:innen stärker mit ihrem Wohnumfeld identifizieren. Zum anderen wird die unmittelbare Luftqualität in der Straße verbessert und der Verkehrslärm reduziert. Somit wird in den autofreien Straßen erlebbar gemacht, welche Vorteile sich durch die Reduktion von fließendem und ruhendem motorisierten Verkehr in Wohngebieten ergeben.

Autofreies Neubaugebiet mit Tiefgarage in Amsterdam (Foto: Julia Jarass/EXPERI)
Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum und nachbarschaftliche Begrünung (Foto: Julia Jarass/EXPERI)
Spielstraße in Utrecht (Foto: Julia Jarass/EXPERI)
Umgewandelte Straße in Amsterdam für mehr Aufenthaltsqualität (Foto: Julia Jarass/EXPERI)

Abkürzungen – praktisch zu Fuß und anderes Erleben der Stadt

Blockdurchwegungen ermöglichen Abkürzungen in der Stadt, die insbesondere für Fußgänger:innen interessant sind. Durch die Abweichung vom Straßennetz durch ruhigere Innenhöfe kann nicht nur der Weg verkürzt werden, sondern die Qualität des Zufußgehens nimmt zu, weil man nicht auf den Autoverkehr achten muss, der Verkehrslärm geringer ist und die Wege häufig interessant sind, da eine weniger sichtbare Seite der Stadt entdeckt werden kann. In Amsterdam werden diese Durchgänge häufig auch mit Kunst-Installationen ausgestattet. Hierdurch wird der Raum zusätzlich aufgewertet und so gestaltet, dass der Blick schweifen kann. Damit die Blockdurchwegungen einfach auffindbar sind, werden sie mit Straßenmarkierungen sichtbar gemacht.

Markierte Blockdurchwegung in Amsterdam (Foto: Julia Jarass/EXPERI)
Kunst-Installation in Amsterdamer Blockdurchwegung (Foto: Julia Jarass/EXPERI)

Quellen

  1. de Kievit, Eric (2018): Walkability in Amsterdam. More space for the mother of all modes of transport. URL: https://www.itf-oecd.org/sites/default/files/docs/walkability-amsterdam.pdf
  2. Gemeente Amsterdam (2019)
  3. Gemeinde Amsterdam (2019): Agenda Amsterdam Autoluw, Amsterdam maakt ruimte. URL: https://experi-mobilitaet.de/wp-content/uploads/Amsterdam_agenda_autoluw.pdf
  4. Generalitat de Catalunya (2019). URL: https://www.idescat.cat/emex/?id=080193
  5. Greater London Authority (2018)
  6. Populationstat France (2019): URL: https://populationstat.com/france/paris
  7. Yasmeen, Rabia (2019): Top 100 City Destinations. London: Euromonitor International. URL: http://go.euromonitor.com/rs/805-KOK-719/images/wpTop100Cities19.pdf

 


Fußnoten

  1. Eigene Berechnung basierend auf Yasmeen 2019, Gemeente Amsterdam 2019, Greater London Authority 2018, Generalitat de Catalunya 2019, Populationstat France Amsterdam 2019 ↩
  2. Gemeinde Amsterdam 2019 ↩
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